
Das frühe Worldwideweb war ein schwarzes Brett für Mitteilungen aller Art: Arbeitsnotizen, Werbezettel, Suchmeldungen. Einigermaßen sinnvoll war das erst, als es brauchbare Suchmaschinen gab, die die weltweiten Mitteilungen auffindbar machten.
Nur die zusätzlichen interaktiven Dienste, wie Chats, Newsgroups und die Mailinglisten machten das damalige Internet spannend. Der fröhliche internationale Gruppenaustausch fand hier statt, auf Campus-Mailinglisten oder später bei kommerziellen Diensten wie z.b. den Yahoo-Groups.
Einmal fiel mir ein, mehr Infos über die TV-Serie Akte X zu suchen. An erster Stelle fand ich hunderte Fan-Seiten, darin Hinweise, wie ich mich bei den Mailinglisten eintragen kann. So ungefähr im Jahr 1998. Man meldete sich an und sofort war „Hölle los“. Streit über die Interpretation der aktuellen Folgen, unterschiedliche Beurteilungen der jeweiligen schauspielerischen Leistungen. Wir erfuhren hier in Deutschland alles über X-Files-Staffeln, die hier erst 6 Monate später gesendet wurden – in synchronisierter Fassung. Über die Liste wurden schon mal Videos in Originalsprache angeboten.
Eine andere bemerkenswerte Aktivität war die Fanfiction-Produktion: die Ereignisse einer Episode wurden weitergesponnen, umgeschrieben, uminterpretiert oder völlig neugeschrieben. Statt nur konsumierend vorm Fernseher zu sitzen, wurde hier produziert. Dass die Gruppe zu 90% aus Frauen bestand, die Hälfte von denen über 50 war, erfuhr ich erst viel später.
Ich war seelig, meine erste globale Community! Die Welt rückt zusammen, wir sind alle Freunde, das alte Hippie-Ideal verwirklicht. Unsere Listensprache war englisch, die listmembers kamen aus den USA, Mexiko, Frankreich, Deutschland, Holland, Japan, Neuseeland, später fanden Russinnen zu unserer Gruppe.
Bis zum 11. September 2001. Eine Dame aus der Liste schrieb, dass sie jetzt nur Äußerungen von Amerikanerinnen ertragen kann.
Soviel zum Thema Hippie-Ideale. Ich habe ich mich kurz darauf abgemeldet.