Die Bibliothek zu Babel

buchManchmal fühle ich mich bei meinen Intertnetsitzungen wie diese Einwohner der Bibliothekswelt von Jorge Luis Borges. Wozu gibt es diese vielen Buchstaben und Texte? Ist das eine Utopie? Oder das Gegenteil davon?

Das Internet könnte alle Bücher der Welt enthalten, alles Wissen der Welt konzentrierter Form umfassen, zugänglich für jeden. Könnte. Tut es aber nicht. Verleger verweigern Publikationsrechte, Bibliothkare und Archivare stellen unverständliche Nutzungsregel und damit Hürden auf. Logischerweise versucht eine Suchmaschine, alle zugänglichen Bücher der Welt einzuscannen. Auffindbar einfach, indem man Zitate sucht (und findet) – ohne Signaturen oder Ausfüllen von Karteikarten. Eine Bibliothek, die Bücher vernichtet?

Als ich 1992 endlich meinen ersten Personal Computer bekam, fragte mich oft, ob ich überhaupt lange Texte am Computer lesen möchte. Ist es nicht zu anstrengend, lange vor dem schlecht aufgelösten Bildschirm zu sitzen? Nun frage ich mich eher im Gegenteil: wozu überhaupt noch Bücher? Ich kann doch Texte in jeder Form und Länge, von jeder Art, wahrhaftig oder gelogen, ernst oder lustig, auf meinen Server hochladen und selbst lesen oder auch selbst Geschriebenes über das Netz zugänglich machen.

Warum denken Leute immer noch in Kategorien des Buches? Der Umfang einer Publikation wird noch an der Länge eines Zeitschriftenartikels oder Buchs gemessen. Das Internet ist in erster Linie ein schriftbasiertes Medium und hier verliert Schriftliches seine gewohnten Formen. Gleichzeitig entstehen neue Formen wie Blogbeiträge oder 140 Zeichen lange Twitter-Meldungen.

Weiter denkende Menschen, vor allem Journalisten, glauben mittlerweile, dass sie nun eine große Nachrichtenmaschine vor sich haben, und vergleichen es mit einer Nachrichtenagentur. Aber womöglich irren wir uns alle. Es müssen immer neuere Textformen gefunden werden. Welches Wissen wichtig ist oder nicht? Texte kopieren kann jeder, Wikiplag findet kopierte Doktorarbeiten sofort.