
Meine Studienfreundin Sophia ist Wissenschaftlerin und freiberufliche Politikberaterin. Sie ist gut mit Aufträgen eingedeckt und hat Werbung nicht nötig. Naja, bis auf eine Visitenkarte, die hat sie schon. Wenn sie die herumreicht, wird sie gelegentlich angesprochen: „Wo ist denn Ihre Internetadresse?“ „Ach wissen Sie, ich bin so beschäftigt, und bisher brauchte ich keine eigene Website. Ich möchte mich im Moment nicht damit befassen.“
Eines Abends spät um 11 Uhr bekam ich diesen Anruf von Sophia:
„Du bist doch Fachfrau in Internetfragen. Du musst mich mal beraten. Ich bin kürzlich von einem Journalisten angesprochen worden, der etwas über mich im Internet gelesen hat: jemand schrieb einen Verriss über meinen Beitrag auf einer Podiumsdiskussion. Darf das denn sein?
Ich würde es ja noch verstehen, wenn ich selbst einen Beitrag im Internet geschrieben hätte und der Verriss eine Antwort darauf wäre. Aber so? Ich finde das extrem unfair! Woher soll ich denn wissen, wer im Internet was über mich schreibt? Am liebsten würde ich meinen Rechtsanwalt mobilisieren!“
„Liebste Sophia: lass es sein! Das ist wie mit Kanonen auf Spatzen schießen! Das Internet ist ein meinungsfreudiges Medium, der Schreiber hat einfach geäußert, was ihm nicht gefiel. Wer weiß, wie viele (oder wenige) Leute das gelesen haben. Wenn du einen Rechtsanwalt losschickst, hast du garantiert zehnmal soviel Aufmerksamkeit der Internetforen. Und unfair ist das Internet auch nicht. Wenn du als Expertin bekannt wirst, musst du eben mit Reaktionen auf deine Beiträge rechnen. Wenn du das Medium Internet nicht beachtest – das ist deine Entscheidung! Aber bedenke: Das Internet beachtet dich … “