
Auch wenn hier mehr Wahrheiten das Licht der Welt erblicken als anderswo: Im Internet wird kräftig gelogen. Am meisten in Finanzfragen, denn wer schon viel Geld hat, bekommt auch viel Kredit. Kreditwürdig ist gleich glaubwürdig. Für arme Existenzgründer heißt das: Wer sein Startup-Unternehmen bedeutungsschwer aufblasen kann, bekommt Millionenbeträge von Investoren oder noch besser gleich von den Aktionären überwiesen. Die Gewinnerwartung ist die Wette auf künftige gigantische Einnahmen. Im weltweiten ständig wachsenden Netz muss ganz einfach idiotisch viel Geld zu verdienen sein, mein Kunde aus der Finanzbranche glaubt das ebenfalls. Milliarden Leute haben Computer und Zugang zum Internet. Sie brauchen bloß eine winzige gute Idee und einen Programmierer, der das Gedachte wie auch immer schlampig umsetzen kann.
„Wir reden nur über unsere Idee, nicht darüber, wie sie funktioniert,“ das sagte der Geschäftsführer einer meiner ersten Internetfirmen, einem Portal mit Angeboten für Existenzgründer. Wir bereiteten uns auf eine Promotionsveranstaltung vor. „Und wehe, ich höre auch nur einmal das Wort ‚Arbeitsagentur'“! Obwohl wir uns alle nach dem Modell „Ich-AG“ selbständig gemacht hatten. Er redete irgendwas über zu erwartende Werbeeinahmen, die dann aber nur bedingt eintrafen.
Die Medaille hat eben die andere Seite, die Kehrseite. Die Erwartung der Internetnutzer ist im Gegenteil, dass hier alles umsonst angeboten wird. „Mein Computer war teuer, mein Zugang zum Internet ist auch nicht umsonst, das reicht jetzt,“ so denken viele, die vielen, die nicht zu den Besitzenden gehören. Die ganze Wahrheit ist: hier ist Geld ebenso schwer zu verdienen, wie anderswo!
Jetzt kommt wieder eine Zeit, da darf darüber gesprochen werden: klamme Freiberufler gehen nicht den Weg in die Insolvenz, sondern heimlich zum Jobcenter. Die Journalistin, die gut recherchierte Artikel schreibt und dafür läppische Zeilenhonorare erhält, der Künstler, der sich als Katzensitter etwas dazuverdient. Darüber redet man nicht so gern. Außer, wenn es in der Süddeutschen Zeitung steht.